Vom 19. – 21. Juni fand in Hamburg ein Kongress mit dem Titel „Volksparkidee und Stadtpark – Qualitäten und Perspektiven für eine zukunftsfähige Stadt“ statt. Hochinteressante Beiträge von internationalen Referenten, ein Senatsempfang am Ende des ersten Tages, ein Besuch der Ausstellung „Park Pioniere“ im Hamburg Museum am zweiten Abend und Exkursionen am dritten Tag bildeten den Rahmen der Veranstaltung. Die von Fritz Schumacher erbaute Handwerkskammer erwies sich als eindrucksvoller Tagungsort.
Der nachfolgende Bericht zum Kongress stammt von dem Landschaftsarchitekten Berthold Eckebrecht und ist in der Ausgabe 08/14 des Deutschen Architektenblattes, Regionalteil Hamburg, erschienen.
„Dauerlösung auf höchstem Niveau“ – so formulierte auf dem „Volksparkkongress“ in Hamburg Professor Stefanie Hennecke (Kassel) ihr resümierendes Urteil über den Stadtpark in Winterhude. Die Fachtagung war von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Kooperation mit dem Stadtpark Verein anlässlich des 100. Geburtstages der beiden großen Hamburger Volksparke und der Hamburger Grünverwaltung mit zahlreichen Beiträgen nationaler und internationaler Fachleute – Gartenhistoriker, Landschaftsarchitekten und Vertreter von Parkverwaltungen und Parkvereinen – durchgeführt worden. Der Stadtpark in Winterhude war auch aufgrund seiner kunsthistorischen Bedeutung ein wenig in den Vordergrund gestellt. Der andere Jubilar, der Altonaer Volkspark, wurde u.a. in einem kundigen Vortrag von Professor Peter Michelis und in einer ausgedehnten Exkursion bedacht.
Überraschend war Henneckes Urteil insofern, als kaum jemand annehmen würde, der Hamburger Stadtpark könne etwas Provisorisches gewesen sein. Sie konnte aber nachvollziehbar ausführen, dass die Volksparke durchaus als Zwischenschritt zu einer durchgrünten, lichten und offenen Stadt mit zahlreichen Freiraumangeboten gedacht waren. Ein erster, als notwendig empfundener Schritt mit dem Ziel einer Stadt der „Kleinhäuser“ mit viel umgebendem Grün, zur Subsistenz und zum Aufenthalt, vielleicht auch mit Übergängen zu dem, was später die Charta von Athen mit der offenen und aufgelockerten Stadt größer, weniger dörflich entworfen hatte. Zu dieser Aussage passt, dass die Abstufungen zwischen den Volksparken und der umgebender Siedlung samt ihrer Straßen zur Entstehungszeit fließender waren. Nicht zuletzt die Funktionstrennung im Nachkriegsstädtebau hat die Trennlinien verstärkt, allerdings auch zum Schutz der Parkanlagen.
Wir wissen, dass die Städte anders als in den optimistischen Entwürfen wurden, auch weil die Rolle und das tatsächliche Ausmaß des Verkehrs nicht vorhergesehen wurden. Und es wurde mitunter viel Idyll in das Bild von Stadt, die ja schließlich auch Wirtschaftsgebilde ist, hinein projiziert. Hennecke bekannte sich dann auch zu den Vorteilen der Stadt der dichten Infrastrukturen und konstatierte, dass aus dem Zwischenschritt dann eben doch eine „Dauerlösung“ geworden wäre – das allerdings auf höchstem, beispielgebendem Niveau.
Eine überragende Qualität wurde dem Stadtpark in allen Beiträgen der Fachtagung attestiert und das verwundert uns natürlich nicht. Das weiß jeder, der den Park besucht, sei er historisch gebildet oder nicht, Hamburger oder zugereist.
Mit dem Werden des Stadtparks und seiner kunsthistorischen Einordnung befasste sich ein Großteil der Beiträge auf dem Kongress und wenn man dem Veranstalter glauben mag, wird dies auch bald in einer Veröffentlichung dokumentiert. Bis dahin kann man sich in dem gerade erschienenen Buch „Betreten erwünscht. Hundert Jahre Hamburger Stadtpark“ (Hrsg. Heino Grunert; Veröffentlichungsreihe des Architekturarchivs der Hamburgischen Architektenkammer) oder in der Broschüre „Hamburger Stadtpark 1914-2014″ (Hrsg. Bezirksamt Hamburg-Nord) informieren. Beide bieten viele neue, selten oder noch nie publizierte Bilder und Abbildungen.
Einigen wird vielleicht neu sein, dass der Entstehung des Stadtparks heftige Auseinandersetzungen vorhergingen, die besonders markant nach dem Wettbewerb zur Gestaltung des Parks (1908/1909) übergingen in einen grundsätzlichen, geradezu paradigmatischen Streit. Es ging um die Ablösung einer als überkommen wahrgenommenen wilhelminischen Gartenkunst durch die Anlage „sozialen Grüns“, dem vielfältig nutzbarem Grün für alle, mit dem zentralen Element der betretbaren Wiese.
Und es ging um den Streit zwischen landschaftlichen und geometrischen, architektonischen Konzeptionen. Letztere, machte Professor Hartmut Troll (Staatliche Schlösser Baden Württemberg) in seinem Vortrag deutlich, seien eben keine Entwürfe neobarocker, höfischer Ordnung, sondern ein Rückgriff auf eine klassische, an die Antike angelehnte Raumbildung. Nicht Hierarchie, Macht und Überwachung wären inszeniert, sondern die Abfolge und das Nebeneinander von Raumkörpern, zum Aufenthalt und Interaktion gedacht.
Die Bandbreite der Parkentwürfe und damit der Kontext der Stildebatte ist übrigens bis zum 23. Februar 2015 in der Ausstellung „Park Pioniere. 100 Jahre Hamburger Stadtpark“ im Hamburg Museum präsentiert. Das dort gezeigte Nebeneinander der unterschiedlichen Entwürfe illustriert den kontrastreichen Richtungsstreit bei der Parkgestaltung gut.
Fritz Schumacher entschied den Streit letztlich in Zusammenarbeit mit Fritz Sperber, dem Leiter des Ingenieurwesens. Eine vermutlich Schumachers ausgeprägtem Sinn für Bühnen und Kulissen geschuldete, atemberaubende Mischung landschaftlicher und geometrischer Elemente erwies sich bis heute als belastbares Grundgerüst, in dem die beiden großen Achsen hervorstechen. Seit der Umsetzung des Stadtparkentwurfes unter der Federführung des eben 1914 neuen und ersten Hamburger Gartenbaudirektors Otto Linne verfügt Hamburg über einen großartigen Park, der auch international als das Beispiel für die neue Gartenkunst angesehen wird.
Der neue Stil hatte viele Anleihen in Nordamerika genommen. Diesen Bezug illustrierte Professor Alan Tate (Winnipeg) in einem informierenden wie inspirierenden Vortrag, in dem er Bezüge zum Neoklassiszismus der World’s Columbian Exposition von 1893 in Chicago, zu den Arbeiten des deutschstämmigen Gartenarchitekten und Stadtplaners Georg E. Kessler in z.B. Kansas City, Indianapolis und Memphis und zu dessen Kontakt zum Gartenarchitekten Leberecht Migge auftat.
Migge wiederum hatte sich in die Stadtparkdebatte eingebracht und auch eigene Beiträge formuliert, ohne an der Gestaltung letztlich beteiligt gewesen zu sein. Er war lange Zeit als Entwurfsverfasser in der bekannten Hamburger Gartenbaufirma Jacob Ochs tätig und ist u.a. wegen seiner Arbeiten an der Hufeisensiedlung bekannt. In Hamburg kennt man ihn wegen des „Öffentlichen Gartens Fuhlsbüttel“ (1910). Migge und sein kleiner Park, nicht ganz korrekt auch Wacholderpark genannt, tauchte mehrfach in verschiedenen Beiträgen auf, u.a. bei Alan Tate und Jan Woudstra (Sheffield). Migges zentrale Schrift, „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“ (1913) ist Standardwerk und auch in angelsächsischen Fachkreisen viel zitiert.
Auch im Vortrag von Frank Pieter Hesse zur Denkmalpflege im öffentlichen Grün wurde die Aufmerksamkeit von den großen Volksparken auf den historisch nicht minder bedeutsamen Garten in Fuhlsbüttel und seinen in der Nachkriegszeit erlittenen Verstümmelungen gelenkt. Hesse regte dringend Initiativen für die Rückgewinnung der für Parkplätze missbrauchten Flächen des Haupteingangs im Südosten an. Dass auf der Tagung sogar die Anregung formuliert wurde, die Hamburger Reformgärten mit u.a. dem Garten in Fuhlsbüttel zum Weltkulturerbe anzumelden, spricht in dieser Hinsicht für sich.
Das leitet über zu dem anderen großen Thema der Tagung – dem Erhalt der denkmalgeschützten Anlagen vor dem Hintergrund der städtischen Nachverdichtung, der Intensivierung der Parknutzung, den Veränderungen im Nutzerverhalten und den nach wie vor mangelnden Unterhaltungsmitteln.
Hier blieben die Aussichten vage und ernüchternd. Zwar konnte Senatorin Jutta Blankau auf dem Senatsempfang zum Anlass des dreifachen Jubiläums verkünden, dass der Senat über 6 Mio. € für Arbeiten in den großen Volksparken anlassbezogen bereitgestellt hätte und dass die jährlichen Mitteln auch um ca. 2 Mio. € erhöht worden wären, aber angesichts eines von Fachleuten und dem Rechnungshof konstatierten Defizites von ca. 20 Mio. € jährlich für eine substanzerhaltenden Pflege und Unterhaltung bleibt dies dennoch eine Besserung auf niedrigem Niveau. Auch wenn die Senatorin erkennbar von der alten und aktuellen Idee des sozialen Grüns eingenommen ist. Das auf der Tagung wahrnehmbare bürgerliche Engagement der Parkvereine wird, so sehr es begrüßt werden kann, ebenfalls nicht ausreichen, um die Lücken zu füllen. Im Gegenteil, die Vereine signalisieren bereits jetzt deutlich, dass ihre Kapazitäten begrenzt sind.
Es bleibt zu hoffen, dass die Aufmerksamkeit, die durch die Vielzahl an Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Medienberichterstattungen im Kontext des Jubiläums entstanden ist, auf diesen besonderen Bestandteil der Hamburger Baukultur gerichtet bleibt und zu Fortschritten führt.
(Hamburg, Herbst 2014, Berthold Eckebrecht)
(Bild: Senatsempfang im Rathaus, v.l.n.r.: J.Rosenfeldt, Senatorin J. Blankau, E. Willing, H. Gemar-Schneider, H. Grunert, H. Hermann, S. Gabriel, Foto: D.B. Magnussen)